Home > Arbeitswelt im Wandel > Das Personalbemessungsverfahren in der Pflege

Das Personalbemessungsverfahren in der Pflege

von | Feb 2, 2024 | Arbeitswelt im Wandel

Seit dem 1. Juli 2023 gilt in der Pflege das Personalbemessungsverfahren. Dieses legt bundesweit einheitliche Personalanhaltswerte für vollstationäre Pflegeeinrichtungen fest. Mit diesen wird ermittelt wie viel Personal mit welcher Qualifikation für die Versorgung der Pflegebedürftigen in den einzelnen Pflegegraden verhandelt werden kann. Das Verfahren zielt darauf ab, eine gute und professionelle pflegerische Versorgung durch die effizientere Nutzung knapper Ressourcen zu sichern. Gleichzeitig kommt das Personalbemessungsverfahren auf einen höheren Personalbedarf im Vergleich zur Fachkraftquote.

Hintergrund des Personalbemessungsverfahrens in der Pflege

30 Jahre lang wurde der Bedarf an Pflegepersonal in stationären Langzeitpflegeeinrichtungen anhand der Fachkraftquote (Personalschlüssel) bestimmt. Zum 1. Juli 2023 ist mit 113c SGB XI das neue Personalbemessungsverfahren (PeBeM) in Kraft getreten. Dieses basiert auf einer umfassenden Studie von Professor Dr. Heinz Rothgang und seinen Kolleg:innen aus Bremen, die im Zuge des Pflegestärkungsgesetz II in Auftrag gegeben wurde.

 

Ziel der Studie von Rothgang war die Entwicklung eines auf empirischen Daten basierenden Algorithmus, mit dem sich die notwendige Anzahl an Pflegekräften bestimmen lässt. Die Forschungsgruppe war bei 62 Einrichtungen der Langzeitpflege vor Ort und analysierten den Arbeitsalltag der Pflegekräfte. Insgesamt wurden 1979 Schichten beobachtet und 130.656 Interventionen wurden anhand eines Kriterienkatalogs bewertet. Der Algorithmus wurde im Rahmen eines Modellprogramms in einer geringen Anzahl vollstationärer Einrichtungen verprobt und angepasst.

Drei zentrale Ergebnisse der Rothgang-Studie

  • Es besteht ein enormer Personalmehrbedarf, insbesondere bei hygienischen Schutzmaßnahmen (z. B. fehlt es häufig an Zeit, sich ausreichend die Hände zu desinfizieren oder Arbeitsplätze entsprechend vorzubereiten).
  • Die Durchführung notwendiger Interventionen gestaltet sich als schwierig, z. B. können aufgrund von Zeitmangel Anforderungen nicht berücksichtigt oder Teilschritte nicht durchgeführt werden.
  • Es besteht ein Optimierungsbedarf hinsichtlich der Verteilung von Aufgaben unter den Pflegekräften.

Die Studienergebnisse verdeutlichen die Notwendigkeit einer Personalbemessung, die sich zum einen am Bedarf (Anzahl der Pflegebedürftigen und deren Pflegegrad) und zum anderen an den Qualifikationen der Pflegekräfte orientiert.

 

Das Verfahren zielt darauf ab, eine gute und professionelle pflegerische Versorgung sicherzustellen. Dies ist vor dem Hintergrund des demographischen Wandels zunehmend von Bedeutung. Erreicht werden soll dies durch die effizientere Nutzung knapper Ressourcen. Eine ausreichende Personalausstattung soll infolgedessen zu besseren Arbeitsbedingungen und einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit führen. In diesem Zusammenhang wird sich vom PeBeM ebenfalls ein positiver Beitrag zur Mitarbeitergewinnung und -bindung versprochen.

Welche Einrichtungen sind vom Personalbemessungsverfahren betroffen?

  • Vor allem stationäre Einrichtungen der Langzeitpflege, bes. Altenpflege
  • Teilstationärer Bereich: Einführung vorerst zurückgestellt
  • Ambulante Pflege: weiterhin keine einheitliche Personalbemessung
  • Krankenhäuser: stufenweise Umsetzung bis 2025

Durch dieses Gesetz (113c SGB XI) steht es Pflegeeinrichtungen frei, in den Pflegesatzvereinbarungen nach § 84 Absatz 5 Satz 2 Nummer 2 insgesamt eine deutlich bessere Personalausstattung zu vereinbaren. Verpflichtet sind sie dazu allerdings erst ab 01.01.2026.

Wie wird das Pflegepersonal bemessen?

Ausgangspunkt für die Berechnung des Personalbedarfs in einer Einrichtung ist der Case-Mix. Dieser bezieht sich auf die Struktur einer Gruppe von Pflegebedürftigen (Anzahl, Pflegegrade). Die neue Regelung sieht vor, dass Pflegeleistungen abhängig von der Qualifikationsstufe der Pflegekräfte erbracht werden.

Effizienterer Einsatz von Kapazitäten nach Qualifikationsniveaus

Generell wird zwischen acht Pflegequalifikationsstufen unterschieden. Im Rahmen des PeBeM sind vier Qualifikationsstufen, die zu drei Gruppen zusammengefasst wurden, relevant:

  • Gruppe 1: Servicekräfte ohne Ausbildung (QN 1) + Pflegehilfskräfte mit 2–6-monatigen Basiskurs (QN 2)
  • Gruppe 2: Assistenzkräfte mit 1-2-jähriger Ausbildung (QN 3)
  • Gruppe 3: Pflegefachkräfte mit dreijähriger Ausbildung (QN 4)

113c SGB XI legt bundesweit einheitliche Personalanhaltswerte für vollstationäre Pflegeeinrichtungen fest. Diese bestimmen wie viel Personal mit welcher Qualifikation für die Versorgung der Pflegebedürftigen in den einzelnen Pflegegraden verhandelt werden kann.

 

Rechnerisch ergibt sich z. B. für eine vollstationäre Pflegeeinrichtung mit einer durchschnittlichen Pflegegradverteilung ein Gesamtpersonal von bis zu 46,17 Vollzeitäquivalenten pro 100 Bewohner:innen im Bereich der Pflege und Betreuung. Hierbei sind keine Sonderschlüssel, wie beispielsweise für Qualitätsbeauftragte oder Pflegedienstleitungen, und keine zusätzlichen Betreuungskräfte berücksichtigt. Dies würde einer Zunahme von 5,84 Vollzeitäquivalenten entsprechen.

 

Das PeBeM sieht vor, dass examinierte Pflegefachkräfte (QN 4) ausschließlich Vorbehaltsaufgaben (Aufgaben, die eine Fachkraft erfordern) durchführen. Ziel des Case-Mix und der Zuordnung von Aufgaben ist Transparenz hinsichtlich der Organisation von Verantwortungsbereichen und ein geringerer Stresspegel.

 

Diese Umverteilung von Verantwortlichkeiten führt zu einem verringerten Bedarf an Fachkräften und einem gesteigerten Bedarf an Hilfskräften. Das Personalbemessungsverfahren kommt somit auf eine relative Verteilung von ca. 40 Prozent Pflegefachkräften (QN 4), ca. 30 Prozent Assistenzkräften (QN 3) und ca. 30 Prozent Hilfskräften (QN1 und QN 2). Diese Verteilung wird auch als Qualifikationsmix 40/30/30 zusammengefasst.

 

Aus dieser Neuregelung ergibt sich für Pflegeeinrichtungen in der Konsequenz neben einem Bedarf an zusätzlichen Pflegekräften auch ein Bedarf an Personal- und Organisationsentwicklung. Letzteres ist darauf zurückzuführen, dass sich sowohl Fach- als auch Assistenzkräfte auf ihre neuen Rollen vorbereiten müssen.

Wie die stationäre Pflege den Personalmehrbedarf decken kann

Aus der Personalbemessung ergibt sich ein erhöhter Bedarf an Pflegepersonal, insbesondere an Assistenzkräften. Konkret müssen Einrichtungen im Durchschnitt 36 Prozent mehr Personal einstellen. Dieser Personalmehrbedarf setzt sich nach dem Algorithmus von Rothgang zu 69 Prozent aus Pflegeassistenzkräften und zu 3,5 Prozent aus Fachkräften zusammen.

 

Die Einrichtungen haben dabei bis zur Übergangsfrist am 31.12.2025 Zeit, den Personalmehrbedarf zu decken. In Vergütungsverhandlungen mit der Pflegekasse müssen Einrichtungen allerdings bereits jetzt ihre Personalbemessung vorlegen.

Personalausbaustufen

2023 sind bereits zwei Personalausbaustufen umgesetzt worden. Diese umfassen u.a. die Finanzierung von 20.000 zusätzlichen Stellen für Assistenzkräfte seitens der Pflegeversicherung. Ein weiteres Stellenprogramm, das von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert wird, sieht nochmal 13.000 Pflegefachpersonen vor.

Checkliste für Arbeitgeber

Trotz der Personalausbaustufen empfiehlt es sich für Arbeitgeber, bereits jetzt selbst aktiv zu werden, um bis zur Übergangsfrist Ende 2025 ausreichend Personal aufzustocken. Im Folgenden haben wir eine Liste an Maßnahmen, die helfen sollen, den erhöhten Personalbedarf zu decken, zusammengefasst:

 

  • Soll-/Ist-Abgleich: Arbeitgeber sollten sich einen Überblick über die aktuelle Personalausstattung verschaffen und davon ausgehend berechnen wie viele Vollzeitäquivalente zusätzlich eingestellt werden müssen, um auf die durch den Case-Mix errechnete Anzahl zu kommen.

 

  • Unterstützung von Fort- und Weiterbildungen: Eine Möglichkeit, den Anteil an Pflegeassistent:innen zu erhöhen, ist, erfahrene Pflegehilfskräfte mit Qualifikationsniveau 1 zur Weiterbildung zu einjährigen Pflegeassistenten (QN3) zu motivieren. Mehr zum Thema Personalentwicklung finden Sie in unserem Beitrag „Bilden Sie Ihre Experten selbst aus“.

 

  • Neuausrichtung des Managements: Die Personalbemessung geht mit strukturellen Veränderungen einher. Das Management trägt die Verantwortung, Pflegeprozesse agiler zu gestalten und das Personal auf die Veränderungen vorzubereiten. Dementsprechend sollten sich die Leiter:innen auf das klassische Management, Pflegeprozessmanagement und die Personalentwicklung fokussieren.

 

 

  • Priorisierung von Arbeitszufriedenheit und -bindung: Im Zusammenhang mit Pflegeberufen wird häufig von einer Berufsflucht gesprochen. Für die harten körperlichen und mentalen Bedingungen in Pflegeberufen benötigt es im Gegenzug attraktive Arbeitsbedingungen, die Mitarbeitende an das Unternehmen binden. Auch hier können Mitarbeiter-Benefits eine entscheidende Rolle spielen. Welche Benefits sich vor allem für Pflegekräfte lohnen, erfahren Sie in unserem Beitrag „§ 18a TVöD VKA: Benefits für Pflegekräfte und Beschäftigte im öffentlichen Dienst“.

 

Zusätzlich empfiehlt es sich, regelmäßiges Feedback der Mitarbeitenden einzuholen, um schnell auf Veränderungen reagieren zu können. Wer versteht, aus welchen Kündigungsgründen Arbeitnehmende ihren Job wechseln, kann Gegenmaßnahmen ergreifen und begehrte Fachkräfte im Unternehmen halten.

Fazit

Die Personalbemessung kann eine echte Chance sein, um die Arbeitsbedingungen in der Pflege nachhaltig zu verbessern. Gleichzeitig birgt sie aber auch Herausforderungen: Trotz der angestrebten (und vermuteten) positiven Auswirkungen des PeBeM wird auch Kritik an der Neuregelung geäußert. Laut der Pflegekammer Nordrhein-Westfalen herrscht Unsicherheit in der Praxis durch die schnelle Umsetzung der Studienergebnisse. Zudem steht ein großer Anteil des Pflegepersonals in der Langzeitpflege kurz vor der Rente, was die Umsetzung von mehr Personaleinstellungen zusätzlich erschwert. Die Kammer verlangt eine Überarbeitung der gesetzlichen Regelungen unter Einbeziehung von Pflegeexpert:innen.

 

Neben Regelungen seitens der Politik sind vor allem Arbeitgeber in der Verantwortung und Position, die Attraktivität ihres Arbeitsplatzes und damit auch des Pflegeberufs zu steigern.

 

spendit-bundle-all-11

Benefit-Bundle 360°

Motivation, Mitarbeiterbindung & Sparpotenzial
Genießen Sie das ultimative Benefit Bundle für Ihr Unternehmen! Damit erhalten Ihre Mitarbeitenden den digitalen Essenszuschuss Lunchit, die Sachbezugskarte SpenditCard und unsere Mobility-Lösungen – die perfekte Kombination für die täglichen Bedürfnisse Ihrer Mitarbeitenden!

Rebecca Blesinger

Rebecca Blesinger

Marketing Managerin Social Media & Content

Rebecca ist bei Spendit für die Bereiche Content und Social Media zuständig. Ihr Fokus liegt vor allem auf den Themen Employer Branding und New Work.

Bitte beachten Sie, dass wir keine Steuer- oder Rechtsberatung erbringen dürfen und mit dieser Information keine Steuer- oder Rechtsberatung erbracht wird. Es handelt sich lediglich um allgemeine Informationen zu den von uns angebotenen Produkten, die auf den jeweiligen Sachverhalt Ihres Unternehmens im Einzelfall anzupassen und aus steuer- und rechtlicher Sicht zu würdigen sind. Bitte holen Sie eine auf Ihre Umstände zugeschnittene Beratung Ihres Steuer- bzw. Rechtsberaters ein, bevor Sie Entscheidungen, über die sich in Zusammenhang mit unseren Produkten ergebenden Themen, treffen. Es kann keine Haftung übernommen werden.

Über 7.000 zufriedene Firmenkunden nutzen unsere smarten Mitarbeiter-Benefits 

Avira-logo-stage-new
Lufthansa-logo-stage-new-alternative
Redhat-logo-stage-new
Fidor-Bank-logo-stage-new
DRK-logo-alternativ
Signavio-logo-stage-new
Candis-logo-stage-new
sem-boutique-logo-stage-new
Sskmuenchen-logo-partner-stage-new
BASF-logo-stage-new
Nestle-logo-stage-new
pro7s1-logo-stage-new
Rewe-digital-logo-stage-new
unu-logo-stage-new
Bitpanda-logo-stage-new
fressnapf-logo-stage-new
Einhorn-logo-stage-new
KTM-logo-stage-new
Auszeichnungen
spendit-awards-kununu-2023
spendit-awards-b2b-2023
deutscher-b2b-award-kundenzufriedenheit
deutscher-b2b-award-kundenservice
top-50-wachstumssieger-gruenderszene
deutscher-b2b-award-preis-leistung
Unsere Kooperationspartner
spendit-logo-visa
Deutsche_Bank-Logo
barmer-logo_Barmer-logo
WoltersKluwer-logo

Alle Bankdienstleistungen werden von der Solaris angeboten.